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Gerhard Axmann ist Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und arbeitet seit 1989 für das Unternehmen. Seit 2004 ist er im Zentraleinkauf im Bereich „Corporate Supplier Qualität“ für die Entwicklung von Dreh-, Fräs- und Fließpressteil-Lieferanten zuständig.

Verantwortung in der Lieferkette

Von Anfang an nachhaltig: Lieferanten auf dem Prüfstand

Gerhard Axmann Lieferantenentwickler

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Verantwortung beginnt im eigenen Unternehmen. Aber hört sie dort schon auf? Für Schaeffler ist die Antwort ein klares Nein. Auch bei seinen mehr als 34.000 Lieferanten weltweit setzt sich das Unternehmen für soziale und ökologische Standards ein. Für Gerhard Axmann ist das ein Vollzeitjob. Er nimmt neue Lieferanten genau unter die Lupe und macht dabei manchmal unerwartete Entdeckungen.

Hinschauen

Es ist ein weltumspannendes Netzwerk: 34.000 Lieferanten aus rund 80 Ländern versorgen Schaeffler mit den Produkten, Prozessen und Dienstleistungen, die das Unternehmen zur Herstellung seiner Produkte benötigt. Gerhard Axmann kommt immer dann ins Spiel, wenn es darum geht, neue Lieferanten in dieses Netzwerk aufzunehmen. Der 56-Jährige weiß: Um erfolgreich zu sein, ist Schaeffler auf eine gute Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten angewiesen. Mit vielen pflegt das Unternehmen langjährige Partnerschaften. Damit das gelingt, ist die erste Auswahl entscheidend. „Weil wir selbst Zulieferer sind, wissen wir, dass es nicht immer leicht ist, die Anforderungen der Kunden zu erfüllen“, erzählt Axmann. „Trotzdem müssen wir auch bei unseren eigenen Lieferanten streng sein. Denn auch wir haben anspruchsvolle Standards und Normen, was die Einhaltung von Nachhaltigkeitsverpflichtungen angeht. Was es braucht, ist eine gute Mischung aus Kontrolle und Vertrauen gegenüber unseren Lieferanten.“

Neben Anforderungen an die Qualität der Produkte, Prozesse und Dienstleistungen oder das Projektmanagement des potenziellen Geschäftspartners geht es bei der Auswahl neuer Lieferanten auch um Nachhaltigkeitsaspekte. Hält sich der Lieferant an die Umwelt- und Sozialstandards, die Schaeffler in seinem festgelegt hat? Geht er sorgsam mit Daten und Informationen um? All das ermitteln Axmann und seine Kollegen in einem mehrstufigen Auswahlprozess, der die Vor-Ort-Prüfung von Lieferanten über sogenannte Initial Assessments (früher Potenzialanalysen) beinhaltet.

Nach einer Bedarfsanfrage, zum Beispiel aus einem Schaeffler-Standort, folgt der Antragsprozess: Erst wenn der potenzielle Lieferant angeforderte Zertifikate an Qualitäts- und Umweltmanagementsysteme sowie verschiedene Vertragsdokumente übersendet bzw. bestätigt und dadurch sein Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet, wird er in das Auswahlverfahren aufgenommen. Der Antrag führt dann zum Anstoß einer Vor-Ort-Überprüfung und Gerhard Axmann übernimmt das Ruder. Für den Diplom-Ingenieur heißt das: Koffer packen. An etwa 100 bis 120 Tagen im Jahr ist er unterwegs. Um einen neuen Geschäftspartner auf Herz und Nieren zu prüfen, besucht er ihn direkt vor Ort in dessen Fertigungsstätte. Das läuft nicht immer wie erhofft: „Vor allem früher haben wir bei diesen Besuchen manchmal leider auch gefährliche und fast schon skurrile Sachen erlebt“, erinnert er sich. „Einmal haben wir in der Fertigung eines Schmiedeteil-Lieferanten miterlebt, wie wenig auf Arbeitssicherheit geachtet wird. Die Mitarbeiter trugen Sandalen, verwendeten keinen Gehörschutz und transportierten die glühenden Stahlteile ohne irgendwelche Schutzvorrichtungen von einer Umform-Presse zur Nächsten. Wir waren nur zum Vorgespräch dort und haben das dann sofort abgebrochen.“

An etwa 100 bis 120 Tagen im Jahr ist Gerhard Axmann unterwegs. Um neue Geschäftspartner auf Herz und Nieren zu prüfen, besucht er sie direkt vor Ort in ihren Fertigungsstätten.

Heute greifen Axmann und seine Kollegen immer häufiger auf die Protokolle solcher Vorgespräche zurück. Meldet ein Geschäftsbereich Bedarf an einem neuen Lieferanten an, führt ein Einkäufer oder Lieferantenentwickler während einer Dienstreise eine erste strukturierte Schnellprüfung, ein „Pre-Assessment“, durch. Damit kann er sich einen Überblick über den Lieferanten verschaffen. Das spart viel Zeit, denn eine umfassende Prüfung, das „Initial Assessment“, dauert mindestens zwei Tage. Dabei geht Axmann einen umfangreichen Fragebogen durch, beleuchtet Prozesse und Dokumentationen und besichtigt die gesamte Produktionsstätte. „Wir haben unsere Augen und Ohren überall“, sagt er und schmunzelt. „Und wir reden nicht nur mit unserem Hauptansprechpartner, sondern auch mit Mitarbeitern aus den verschiedenen Fachbereichen. So erfahren wir, wie das Unternehmen wirklich arbeitet.“ Bei der anschließenden Bewertung vergibt Axmann für jeden geprüften Themenbereich Punkte von eins bis zehn. Eine zehn bedeutet: Der Lieferant kann die Anforderungen voll erfüllen.

Transparenz

Ist das in einem Bereich nicht der Fall, wird im Anschluss ein Maßnahmenplan erstellt und seine Abarbeitung verfolgt. So bekommt der Lieferant die Möglichkeit, sich zu verbessern. Bei „K.-o.-Fragen“ bedeutet ein Ergebnis unter zehn Punkten das vorläufige Ende des Auswahlprozesses. Das heißt, der Ablauf wird „on hold“ gesetzt, bis die offenen Punkte durch Sofortmaßnahmen abgestellt wurden. Dazu zählt auch die Frage, ob der Lieferant sicherstellen kann, dass Wasser, Luft und Boden durch seine Geschäftstätigkeit nicht verschmutzt oder belastet werden.

Die Einhaltung von sozialen und ökologischen Kriterien entlang der Wertschöpfungskette ist bei Schaeffler wichtiger Bestandteil der unternehmerischen Verantwortung. Deshalb hat Schaeffler diese Aspekte in seiner Unternehmensleitlinie und dem Lieferantenkodex festgehalten. Wer den Kodex unterschreibt, verpflichtet sich dazu, die Menschenrechte zu achten, verantwortungsvoll mit der Umwelt umzugehen und sich für die Sicherheit und Gesundheit seiner Angestellten einzusetzen.

Beim nachhaltigen Lieferantenmanagement geht es einerseits darum, Risiken in neuen Geschäftsbeziehungen frühzeitig zu erkennen. Andererseits ist es auch eine Antwort auf die steigenden Erwartungen von außen: Nationale Regierungen fordern Unternehmen immer stärker dazu auf, Verantwortung für das zu übernehmen, was außerhalb ihrer eigenen Werke passiert. So berichten wir beispielsweise seit Jahren gemäß den Anforderungen zu Konfliktmineralien und ermöglichen es damit unseren Kunden, an sie gestellte gesetzliche Anforderungen zu erfüllen. Auch die Kunden von Schaeffler fordern im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsprogramme zunehmend Belege für die Art und Weise, wie ihre Vorprodukte hergestellt werden.

Um Lieferantenbewertungen vergleichbarer zu machen und mehr Transparenz in der Lieferkette zu erreichen, arbeitet Schaeffler mit anderen Unternehmen der Branche zusammen, z. B. im Arbeitskreis „Nachhaltigkeit in der Lieferkette“ des Verbands der Automobilindustrie. Nachhaltigkeitsexperten von Herstellern und Zulieferern entwickeln dort unter anderem einen standardisierten, branchenspezifischen Nachhaltigkeitsfragebogen für Vor-Ort-Überprüfungen.

Gerhard Axmann sieht in der Zusammenarbeit viele Vorteile: „Wir haben alle ähnliche Herausforderungen bei der Auswahl von Lieferanten. Deshalb ist es wichtig, dass wir strukturelle Probleme gemeinsam angehen und voneinander lernen.“ Das könnte nicht nur seine Arbeit erleichtern, sondern auch bessere Bedingungen für Menschen und Umwelt in den Produktionsländern schaffen.

Standards
setzen.

SCoC
Supplier Code of Conduct = Lieferantenkodex.